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Dialog

Vielflieger Steinmeier als Klimaheld

aktualisiert am 8.5.2022

Schloss Bellevue Schloss Bellevue © 2011 KopfsplitterFoto

Der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier ist seit 2017 der zwölfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland und wurde bei der Wahl am 13. Februar 2022 wiedergewählt.

Gesendet: 22. März 2019 um 12:33 Uhr
Betreff: Man kann etwas tun

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Steinmeier,

es ist ja schon einige Zeit her, aber der Auftritt von Ihnen am 8.3.2019 in Neumünster hat Spuren bei mir hinterlassen und mich sehr enttäuscht. Warum? Erst verursachen Sie auf Ihrer Dienstreise mit dem Flugzeug unnötig hohe CO2-Emissionen und dann erklären Sie laut einer dpa-Meldung den Schülern einer "Fridays For Future"-Mahnwache, dass viele Erwachsene noch nicht gemerkt hätten, dass es fünf vor Zwölf ist. Wörtlich sagten Sie: "Ich freue mich jedenfalls, dass ihr euch einsetzt und dass ihr anders seid als diejenigen, die immer nur sagen 'man kann ja sowieso nichts tun' - man kann etwas tun."

Vermutlich ist es von den Kindern zu viel verlangt, dass diese Ihnen die Fragen stellen, die ich jetzt stelle:

  1. Sind Sie selbst nicht auch Erwachsener und vor allem Politiker – und als solcher mitverantwortlich für Klima und Umwelt?
  2. Sie sagen ja selbst, dass man was tun kann? Also, was tun Sie ganz persönlich zur Klimaverbesserung? Reden allein gilt nicht.
  3. Warum gab es z. B. 2018 an die 800 (!) Leerflüge der Bundeswehr-Flugbereitschaft zwischen Köln/Bonn und Berlin? Warum werden keine Linienflugzeuge oder die Bahn benutzt?

Natürlich hätten auch Sie selbst den Schülern und Schülerinnen Fragen stellen können, zum Beispiel:

  1. Wie oft und wie weit fliegt Ihr im Jahr in die Ferien?
  2. Wie ist das mit dem Schulweg? Verzichtet Ihr und Eure Mitschüler grundsätzlich auf die Mitnahme in einem Auto?
  3. Wirkt Ihr auf Eure Eltern ein, dass sie auch mal das Auto stehen lassen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen?
  4. Warum protestiert und demonstriert Ihr nur, wenn Schule ist? Wäre es nicht glaubwürdiger, wenn Ihr Eure Freizeit opfert und nicht die Schule schwänzt? Oder ist Euch die Freizeit wichtiger als das Klima?

Übrigens:
Würden Sie die Schüler auch loben, wenn diese auf einmal gegen deutsche Rüstungsverkäufe und die Erhöhung des Verteidigungsetats demonstrieren würden, innerhalb und außerhalb der Schulzeit? Und wie ist Ihre Haltung, wenn z. B. die Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst merken, dass es 5 vor 12 für das Klima ist und am Freitag die Büros verlassen, um auf die Straße zu gehen?

Bemerkenswert:
Als die Bürger der DDR 1989 gegen das SED-System auf die Straße gingen, sind sie zur Arbeit gegangen und die Revolution fand nach Feierabend statt. Niemand ist damals auf die Idee gekommen, nicht zur Arbeit zu gehen oder die Schule zu schwänzen.

Anmerkung:
Ich habe kein Auto und hatte nie eines. Ich bin in der Regel auf eigenen Beinen unterwegs, oder mit dem Fahrrad, mit der Bahn, Fernbussen und dem ÖPNV. Einmal im Jahr fliege ich in den Urlaub und ein weiteres Mal verreise ich mit meiner Lebensgefährtin innerhalb Deutschlands. Meine Ökobilanz sieht also in der Praxis gar nicht so schlecht aus. Auf jeden Fall besser als die der meisten Politiker.

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung und verbleibe mit den besten Wünschen

Fridays for Future-Lob für Steinmeier, der mit dem Flugzeug zu einer FFF-Demo nach Neumünster angereist ist

Auf der eigenen Internetseite Lob für Steinmeier, "der mit dem Flugzeug (sic!) zu einer FFF-Demo nach Neumünster angereist ist".

Über vier Wochen später erhielt ich mit Datum vom 24. April 2019 eine Antwort, immerhin ganz analog an meine postalische Anschrift.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mich gebeten, für die an ihn gerichtete Nachricht vom 22. März 2019 zu danken und die Antwort zu übernehmen.

Der Bundespräsident freut sich über den Einsatz der internationalen „Fridays for Future"-Initiative für mehr Klima- und Umweltschutz. Dies hat er auch bei seiner Begegnung mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Initiative am 8. März 2019 in Neumünster zum Ausdruck gebracht. Sein vollständiges Zitat bei dieser Gelegenheit lautete: „Deshalb ist es so wichtig, dass Ihr Euch zu diesem Thema meldet und immer darauf aufmerksam macht, dass wir was tun. Wir brauchen junge Menschen wie Euch, die sich einmischen. Ich freue mich jedenfalls, dass Ihr Euch einsetzt und dass Ihr anders seid als diejenigen, die immer nur sagen «man kann ja sowieso nichts tun» - man kann etwas tun. Ihr seid wahrscheinlich angesteckt durch dieses Engagement, so dass wir uns eigentlich nur herzlich bedanken können. Euch ermutigen, das weiter zu tun - innerhalb der Schule natürlich als Thema im Schulunterricht und natürlich auch außerhalb der Schulzeit."

Der Bundespräsident wäre Ihnen deshalb verbunden, wenn Sie sich weiterhin aufgeschlossen mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel auseinandersetzen und sich auf dieser Basis in der gesellschaftlichen Debatte über die nächsten Maßnahmen zum Klimaschutz einbringen würden.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dirk Roedder

Fridays for future Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wenn Schüler ihre Schulen bestreiken, dann schaden sie vor allem sich selbst und ihrer Ausbildung. Es gibt eh schon genug Schulschwänzer und Schulabbrecher. Schulen müssen weltanschaulich neutral sein. Ansonsten streiken bald andere Gruppen für oder gegen die Impfpflicht oder für oder gegen eine Senkung des Wahlalters. Wer sich für politische Anliegen oder auch den Klimaschutz einsetzen möchte, sollte auch bereit sein, die Freizeit dafür zu opfern. Das wäre einfach glaubwürdiger.

Eine Entgegnung auf die oberflächliche Antwort des Herrn Roedder konnte ich mir nicht verkneifen. Ich verschickte den Brief ebenfalls über die Post. Danach hörte ich leider nichts mehr aus Steinmeiers Schreibstube.

Berlin, 1.5.2019

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

ich bedanke mich für den Brief Ihres Hauses vom 24.4.2019. Die Antwort auf meine Mail vom 22.3.2019 wurde von einem Herrn Dirk Roedder verfasst, dessen Funktion im Bundespräsidialamt ich nicht kenne, da diese aus seinem Schreiben nicht hervorgeht.

Leider muss ich feststellen, dass ich zu einem ernsthaften Anliegen, das ich an das deutsche Staatsoberhaupt herangetragen habe, eine im Grunde oberflächliche und nichtssagende Abfertigung aus einem der präsidialen Vorzimmer erhalten habe. Der Brief geht auf keine Frage ein, sondern wiederholt im Wesentlichen Zitate von Ihnen, die auch schon den Medien zu entnehmen waren. Ich weiß nicht, ob das in Ihrem Sinn ist.

Herr Roedder meint mich aber ermahnen zu müssen, mich "mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel auseinander[zu]setzen und sich auf dieser Basis in der (sic!) gesellschaftlichen Debatte über die nächsten Maßnahmen zum Klimaschutz ein[zu]bringen". In meiner Mail erwähnte ich jedoch mit keinem Wort die Erkenntnisse der Wissenschaft zum Klimawandel oder zog diese gar in Zweifel. Dazu fehlt mir einfach das notwendige Hintergrundwissen. Und selbst Wissenschaftler scheinen ja bei dieser Problematik unterschiedliche Erkenntnisse zu besitzen.

Was ich mir aber gestatte und so auch erwähnte, war, die Glaubwürdigkeit von Politikern und Klimaaktivisten zu hinterfragen. Der Anlass meiner Mail war nämlich, dass Sie als Bundespräsident auf einer innerdeutschen Dienstreise am 8.3.2019 erst mit dem Flugzeug für unnötig hohe CO2-Emissionen verantwortlich waren, um danach Schule schwänzende Schüler in Neumünster für ihr Engagement für mehr Klimaschutz zu loben. Diese sind Ihnen übrigens für Ihre Unterstützung dermaßen dankbar, dass sie voller Stolz auf der eigenen Internetseite ausdrücklich erwähnen, dass Sie "mit dem Flugzeug zu einer FFF-Demo nach Neumünster angereist" sind. Wundern wird man sich als Beobachter ja noch dürfen über Klima- und Umweltschützer, die zwar gerne Kritik an anderen bei dieser Thematik äußern, sich selbst aber davon ausnehmen!

Was ich Sie, Herr Bundespräsident, fragte und was leider unbeantwortet blieb, war:

  • Würden Sie die Schüler auch loben, wenn diese auf einmal gegen deutsche Rüstungsverkäufe und die Erhöhung des Verteidigungsetats demonstrieren würden, innerhalb und außerhalb der Schulzeit?
  • Und wie ist Ihre Haltung, wenn z. B. die Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst merken, dass es 5 vor 12 für das Klima ist und am Freitag die Büros verlassen, um auf die Straße zu gehen?
  • Und warum gab es 2018 an die 800 (!) Leerflüge der Bundeswehr-Flugbereitschaft zwischen Köln/Bonn und Berlin? Warum werden keine Linienflugzeuge oder die Bahn benutzt?
  • Sind Sie selbst nicht auch Erwachsener und vor allem Politiker – und als solcher mitverantwortlich für Klima und Umwelt?
  • Sie sagen ja selbst, dass man etwas tun kann. Also, was tun Sie ganz persönlich zur Klimaverbesserung? Reden allein gilt nicht.

Es ist sehr einfach, zu demonstrieren und zu reden. Aber wie dichtete schon Johann Wolfgang von Goethe: "Der Worte sind genug gewechselt, laßt mich auch endlich Taten sehn!"

Ich möchte Ihnen deswegen von einem praktischen Beispiel zum Umweltschutz berichten. Ende März dieses Jahres organisierte die hiesige Bürgerinitiative Cecilienviertel mit der Berliner Stadtreinigung eine Müllsammelaktion im Kiez. Es kamen u. a. 19 volle Müllsäcke zusammen. Zu einem großen Teil bestand das "Sammelgut" aus Getränkebehältern unterschiedlichen Materials und aus ca. 100 weggeworfenen Spraydosen der hiesigen Graffiti-Szene. Es wäre schön und nützlich für die Glaubwürdigkeit, wenn sich auch FFF-Aktivitäten und andere Klimaschützer nicht nur auf Demo-Spaziergänge und Reden beschränken würden, sondern endlich einen praktischen Mehrwert generieren würden.

In einem Interview mit dem Holsteinischen Courier am 8.3.2019 werden Sie, Herr Bundespräsident Steinmeier, mit dem Satz zitiert: "Demokratie lebt davon, dass man auch mit denen redet, die anderer Meinung sind, ja sogar in Kauf nimmt, dass auch andere gelegentlich recht haben könnten." Wenn dieser Satz ehrlich und nicht einseitig gemeint ist – und davon gehe ich aus, sollten Sie ihn als Leitlinie insbesondere jenen Mitarbeitern des Bundespräsidialamts ans Herz legen, die für die Beantwortung von Besorgnissen und Kritik der Bürger verantwortlich sind. Dann würden wir auch nicht unnütz aneinander vorbeireden.

Mit freundlichen Grüßen

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