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Die Hamburger Linkspartei - demaskiert

aktualisiert am 20.10.2022

Der LINKE-Landesparteitag vom September 2022 Bildschirmfoto: Der Linke-Landesparteitag vom September 2022

Der formale Name für die Versammlung der Hamburger Linkspartei vom 9. bis 11. September 2022 erinnert schon sehr an vergangene SED-Zeiten: "Die 1. Tagung des 8. Parteitags". So weit, so sachlich-dröge! Auf der Internetseite der Partei sind nur ein paar dürre Zeilen über dessen Ergebnisse zu lesen.

Vollkommen ausgeblendet, um nicht zu sagen vertuscht, wurde der interne Streit, der mich persönlich an fast vergessene Vollversammlungen des berühmt-berüchtigten Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin zurückdenken ließ: Endlose Diskussionen und Abstimmungen mit hitzigen Wortgefechten über den "richtigen revolutionären Weg" in OSI-Atmosphäre. Jede noch so unwichtige kommunistische Splittergruppe kämpfte abseits jeder Realität ihren eigenen heroischen Kampf für die Arbeiterklasse, aber vor allem gegen die vermeintlich linke Konkurrenz.

Das Podium vom Linke-Landesparteitag im September 2022 Bildschirmfoto: Das Podium vom Linke-Landesparteitag im September 2022

Die Linkspartei redet oft und gern von Solidarität. Das Podium war (natürlich) mit dem Symbol der Friedenstaube dekoriert. Mehr Schein als Sein. Auf offener Bühne stritt man sich wie die Kesselflicker. In jeder Kindergruppe geht es vernünftiger, friedlicher und vor allem solidarischer zu als bei der Linkspartei in der Hansestadt.

Der nicht zur Wiederwahl angetretene ehemalige Linkspartei-Chef Keyvan Taheri hatte schon in der Vergangenheit Rassismus in den Hamburger Reihen beklagt. Parteimitglieder warfen ihm daraufhin Profilierungsbestrebungen und parteischädigendes Verhalten vor. Der Bürgerschaftsabgeordnete Mehmet Yildiz war wegen Rassismusvorwürfen und interner Querelen sogar aus der Fraktion ausgetreten, worauf ihm Nähe zur Querdenkerszene unterstellt wurde.

Hinweis Die Dokumentation der Vorgänge auf dem Landesparteitag vom September ist Tom Radtke zu verdanken, der ein fast einstündiges Video mit der Überschrift (und verfälschtem Namen) "Transvassoli: Die Linke am Ende" online stellte: YouTube extern🡽

Aber auch dieser Tom Radtke hat eine Geschichte. Mitten im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf 2020, in dem er selbst als nicht gerade aussichtsreicher Kandidat für die Linkspartei kandidierte, twitterte der damals 18-Jährige - laut einer Meldung der Taz - ein Statement zum Klima-Holocaust:

"Die Nazis gehören auch zu den größten Klimasünder*innen, da ihr Vernichtungskrieg und ihre Panzer riesige Mengen an CO2 produziert haben. Wir müssen die Klimaerwärmung jetzt stoppen, damit sich ein Holocaust nicht wiederholt."

Der Landesvorstand forderte daraufhin den Rücktritt von seiner Kandidatur und bereitete ein Parteiausschlussverfahren vor. Radtke drohte:

"Wenn ihr über mich lügt, sehe ich nicht warum ich eure dreckigen Geheimnisse (z. B. den Pädophilen bei FFF Hamburg) noch für mich behalte. Wenn keine Richtigstellung kommt, dann werde ich morgen alles erzählen. Auch zu Luisa [Neubauer?]."

Was ist los mit denen im Hohen Norden? Bekommt ihnen das Schietwetter nicht? Nehmen sie zu viele oder falsche Drogen? Haben die alle keine Arbeit und versuchen, der ungenutzten Zeit irgendeinen Sinn, sprich Unsinn, zu geben? Oder ist die Hamburger Linkspartei von einem noch unbekannten Virus befallen? Keine Ahnung, aber es geht noch weiter mit dem Irrsinn.

Bevor die Wahl zur Frauenliste des Vorstands stattfinden konnte, sollten sich die Bewerberinnen jeweils mit einem Statement vorstellen. Bei einer Person erhitzten sich allerdings die Gemüter. Der vollbärtige Bijan Tavassoli wollte sich ebenfalls über die Frauenliste bewerben.

Es folgten längere Debatten darüber, wann und wem gegenüber sich Tavassoli zur Frau erklärt hatte. Auch kurz vor der Wahl schien noch nicht jede Frage beantwortet zu sein. Eine mögliche Wahlanfechtung stand im Raum. Tja, das blüht uns verstärkt, wenn die Bundesregierung durch ein Selbstbestimmungsgesetz in Zukunft erlauben möchte, dass sich jeder Mensch jedes Jahr ein anderes Geschlecht aneignen darf.

Gegen Tavassoli läuft übrigens ebenfalls ein Parteiausschlussverfahren, weil er den Sieg der Taliban in Afghanistan bejubelt und noch andere krude Ansichten geäußert hatte.

Verlesung der angeblichen Bewerbung von Bijan Tavassoli auf dem Linke-Landesparteitag im September 2022 Bildschirmfoto: Verlesung der Bewerbung von Bijan Tavassoli

Weil Tavassoli gar nicht am Parteitag teilnahm, durfte seine Bewerbungsrede gemäß der Satzung vorgelesen werden (dokumentiert ab Video-Minute 4:27). Die Aufgabe übernahm ein Mann mit Kapuze und Mundschutz, der den Text von seinem Handy ablas. Es ist nicht ganz klar, warum der Vorleser anonym bleiben wollte und warum ihm das überhaupt erlaubt wurde.

Obwohl Tavassoli später - nicht zwingend glaubhaft - bestritt, dass die Rede in seinem bzw. ihrem Namen gehalten wurde, sollen einige Zitate daraus zeigen, welche Themen in der ehemaligen Partei der Arbeiterklasse inzwischen angesagt sind.

"Ich kann leider nicht persönlich hiersein, weil ich diese Woche an Corona und vermutlich Affenpocken erkrankt bin. Schon zu lange werden wir Frauen in dieser transphoben Partei diskriminiert... Es gibt Tage, da bin ich kurz davor, in Tränen zusammenzubrechen. Aber es wird noch schlimmer: Wie oft werden wir Frauen ohne Gebärmutter auf unseren Körper reduziert? Wie oft gleiten die gierigen Blicke von Machos [...] über unser junges Leid? ...Ihr alten weißen Männer seid auf dem Müllhaufen der Geschichte. Verschwindet aus der Linken und geht doch in die KPD, zu Honecker oder eine andere stalinistische Schlägertruppe. ...Auch mein ehemaliger Gegner beim Kampf um Platz eins in der Europaliste, Martin Schirdewan, ist nun ein Verbündeter. Er versicherte mir vor kurzem in Brüssel, dass ich eine wunderschöne starke Frau bin, aber auch eine zarte zerbrechliche Blume. Und deshalb kandidiere ich als Landessprecherin unserer Partei. ...Ich werde eine Kampagne entwickeln, um gegen Fatshaming vorzugehen und die Fatfans motivieren, ihren runden Körper zu lieben. Theresa Jakob wird mir dabei helfen."

Da unterbrach die Versammlungsleiterin den Vortrag des Vermummten endgültig. Theresa Jakob ist derzeit die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei in Hamburg und - sagen wir mal - eine starke Erscheinung. Und die fühlte sich angegriffen oder vielleicht verspottet. Ein Herr führte den Vorleser mit sanfter Gewalt vor die Tür. Es wird berichtet, dass das nicht ganz ohne Schrammen abging.

Das ganze Video ist durchzogen von den Diskussionen um Bijan Tavassoli und anderen Absurditäten. Zum Beispiel ab der 31. Video-Minute:
Versammlungsleiterin: "Wer möchte eine Pause? Was wir in der Pause machen, das kann man dann noch überlegen."
Das Ergebnis durch Handheben scheint nicht eindeutig zu sein.
Versammlungsleiterin: "Ich würde sagen, dass das ausgezählt werden muss - zur Sicherheit."
Unruhe und vereinzelte Rufe.
"Dann - im Zweifel machen wir Pause."
So geschah es.

Bewerbungen und Rednerliste für die Frauenliste zum Vorstand auf dem Linken-Landesparteitag im September 2022 Bildschirmfoto: Bewerbungen und Rednerliste für die Frauenliste zum Vorstand auf dem Linken-Landesparteitag im September 2022

Nach besagter Pause begann die Vorstellung der auf der Liste dokumentierten Kandidatinnen. Bijan Tavassoli durfte sich nicht mehr vorstellen, weil das schon am Vortag durch den anonymen Sprecher erfolgt war. Er bzw. sie hätte aber natürlich gewählt werden dürfen.

Das Video endet mit der Wortmeldung von Heike Sudmann, Abgeordnete der Hamburger Linksfraktion, die den Wählern mitteilt, dass es trotz telefonischen Kontakts während der Vorstellungsrede keinerlei Hinweise von Bijan gegeben habe, dass der Text nicht von ihm bzw. ihr autorisiert gewesen wäre. Dieser Hinweis folgte erst eine halbe oder eine Stunde später. Sudmann stellte damit die Glaubwürdigkeit von Tavassoli in Frage.

Tom J. Wellbrock, ein Blogger der neulandrebellen, führte kurz nach dem Linken-Parteitag am 16.9.2022 ein Interview mit der Person, deren Namen so oft von den Delegierten genannt wurde und die doch abwesend war: Bijan Tavassoli. Das Gespräch wirkt unfreiwillig komisch. Oder ist das vielleicht gar kein ein echtes Interview, sondern ein Satirebeitrag?

Hinweis Das Video vom Interview auf YouTube extern🡽

Tom J. Wellbrock von den 'neulandrebellen' interviewt Bijan Tavassoli von der LinksparteiBildschirmfoto: Tom J. Wellbrock und Bijan Tavassoli beim Interview

Bijan Tavassoli liegt nicht etwa von Corona und Affenpocken geschwächt darnieder, sondern hat es sich zum Zeitpunkt des Gesprächs in der warmen Türkei gemütlich gemacht. Was arbeitet der oder die 30-Jährige eigentlich?

Tavassoli zur Bemerkung des Interviewers, dass er wegen seines Bartes nicht gerade wie eine Frau aussehen würde:

"Da sieht man mal wieder, wie das Patriarchat Frauen vorschreiben möchte, wo wir Haare zu haben haben und wo nicht."

Zur Kandidatur als Parteisprecherin und zur Frauenliste des Vorstands:

"Meine Kandidatur wurde erstmal dadurch ins Lächerliche gezogen, dass eine Person, die ich nicht kenne von Frau Sudmann auf die Bühne gerufen wurde, um mich vorzustellen."

Unterbrechung des Interviews:

Tavassoli: "Sie hören jetzt den Gebetsruf im Hintergrund. Ich bin Atheistin, aber aus Respekt vor den Menschen vor Ort möchte ich das Interview unterbrechen."

Über die angebliche Rolle als Putinversteherin kam es ab Minute 12:24 zu folgendem Dialog:

Tavassoli: "Ich habe viele, viele unglaublich wunderschöne russische Frauen kennengelernt..."
Wellbrock unterbricht: "Waren das jetzt echte Frauen oder oder oder selbstgewählte Frauen?"
Tavassoli: "Bitte?"
Wellbrock: "Also, echte Frauen oder selbstgewählte Frauen, also um- umge- umgelenkt oder?"
Tavassoli: "Ich verstehe Ihre Frage nicht. Was meinen Sie mit 'echt'?"
Wellbrock: "Naja, es gibt, es gibt ja das Wesen Frau, das sozusagen als Kind, als Mädchen auf die Welt kommt und dann äh wächst, und erwachsen wird und dann äh 'ne Frau ist halt irgendwann. Und dann gibt's ja Männer, Sie waren ja vorher jetzt auch offiziell 'nen Mann. Und dann gibt's ja Männer, die kommen als Junge auf die Welt und dann wachsen sie auf und dann werden sie erwachsen. Und dann stellen sie irgendwann fest: 'Ja, das ist eigentlich falsch, ich bin ja gar kein Mann'. So ist das doch im Prinzip, oder nicht? Ist es nicht so im Prinzip? Im Prinzip ist es doch so, oder nicht?"

Obwohl Tavassoli etwas verärgert über Wellbrocks Ausführungen ist, macht er trotz einsetzender Widrigkeiten weiter:

Tavassoli: "Ich sehe jetzt aber auch, dass das Licht immer weniger wird hier draußen."
Wellbrock: "Das betont aber Ihren Bart ganz angenehm."
Tavassoli: "Echte Frauen und unechte Frauen gibt es für mich nicht..."

Über die Kandidatur beim Landesparteitag und die Anfechtung der Wahl sagte Tavassoli, dass er/sie während des Parteitags Kontakt zum Parteitagspräsidium aufgenommen hätte und um Richtigstellung gebeten hätte. Das wäre nicht geschehen. Stattdessen hätte es immer mehr transphobe Ausfälle und diverse Formfehler gegeben. Eine Wiederholung des Parteitags und der Wahl sei daher wahrscheinlich.

Das Podium vom Linke-Landesparteitag im September 2022Bildschirmfoto: Holger Kreymeier und Bijan Tavassoli beim Interview

Ganz aktuell folgte ein Interview von Holger Kreymeier von massengeschmack.tv am 18. Oktober 2022 mit Bijan Tavassoli. Das komplette Gespräch von 73 Minuten gibt es hinter einer Bezahlschranke.

Hinweis Ein ca. 15-minütiger Ausschnitt mit dem Titel "Ich bin eine Frau" ist dagegen ohne Einschränkungen auf YouTube extern🡽 zu sehen. Daraus stammen auch die folgenden Zitate.

Tavassoli über das Frausein:

"Ich bin eine Frau und bin auch so geboren... Ich denke, das Weibliche ist nichts, was von Äußerlichkeiten abhängt... Ich denke, dass das nichts mit dem Geschlecht zu tun hat. Und vor allen Dingen nicht mit dem sozialen Geschlecht und damit, wie man sich fühlt."

Tavassoli über den Vollbart, den Frauen normalerweise nicht haben:"

"Das würde ich eben nicht so sehen. Ich denke eben schon, dass es viele Frauen gibt auch mit Bart. Gerade auch in südländischen Kulturen ist es so, dass Frauen häufig Bartwuchs haben..."

Tavassoli über das Saunieren:

"Ich persönlich finde es viel, viel angenehmer in der Frauensauna umgeben von Frauen zu sein als in der gemischten Sauna, wo man teilweise - ich will auch nicht alle Männer verurteilen - , aber man ist auch schon Blicken ausgesetzt als Frau in einer gemischten Sauna... Was ich an der Frauensauna wirklich positiv finde, dass mir da noch nie ein sexueller Vorfall vorgekommen ist. Ich fühl mich da einfach sicher. Ich denke, ich kann in die Sauna gehen, ich kann meditieren, ich kann mich sozusagen entspannen und das kann ich in der gemischten Sauna so nicht."

Tavassoli über die eigene sexuelle Orientierung:

"Ich finde das immer schwierig, sich zu etikettieren. Ich denke, das ist doch was sehr Individuelles. Und ich sehe mich aktuell eher lesbisch."

Tavassoli über Kälteempfindungen von Frauen:

"Kälteempfinden oder Wärmeempfinden ist letztlich etwas, was im Gehirn stattfindet. Und insofern glaube ich nicht, dass man das allein auf der hormonellen Ebene erklären kann... Genauso wie Geschlechter sozial konstruiert sind, ist auch Temperatur etwas, was wir im Kopf konstruieren... Für mich kann ich sagen, mir ist oft kalt. Ich möchte nicht frieren für den Frieden oder so. Ich möchte tatsächlich gerne, dass es mollig warm ist..."

Tavassoli über etwaige hormonelle Eingriffe bei sich selbst:

"Das ist eine sehr persönliche Frage... Ich muss sagen, es ist natürlich auch was bei mir mit dem Alter zusammenhängt. Also, ich bin jetzt schon 30 Jahre alt und bin in einer Zeit aufgewachsen, in der die Gesellschaft noch nicht so offen war vielleicht wie heute..."

Tavassoli macht einen durchaus sympathischen Eindruck und kann sich gut und intelligent ausdrücken. Und doch beschleicht einen manchmal das Gefühl, einen genialen Darsteller vor sich zu haben, der alle veräppelt.

Zurück zur Hamburger Linkspartei. Auf deren Website werden zwar haufenweise Wahlaufrufe und Kandidaten, Inhalte von Wahlplakaten und -Programmen vorgestellt, aber Ergebnisse von Bundestags- und Bürgerschaftswahlen sucht man vergeblich.

Aber wozu gibt es Suchdienste? Im traditionell linken Hamburg fiel die Linkspartei bei der letzten Bundestagswahl um 5,5 auf 6,7 Prozent der Zweitstimmen (2017 waren es noch 12,2 Prozent). In der Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020 erreichte die Partei immerhin 9,1 % auf der Landesliste. Die nächste Bürgerschaftswahl findet voraussichtlich im Frühjahr 2025 statt. Schon jetzt ist abzusehen, dass die zutiefst gespaltene Partei den Einzug ins Parlament wohl nicht mehr schaffen wird.

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