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Kopfsplitter

Unterwegs

Auschwitz - emotional, aufwühlend, verstörend

aktualisiert am 8.5.2022

Oświęcim gehörte nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zur polnischen Republik, wurde aber nach der Besetzung Polens durch Nazideutschland eingedeutscht und zu Auschwitz. Durch Deutschlands Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde die Namensänderung wieder rückgängig gemacht. Außerdem wurde der gesamte Osten Deutschlands polnisches Staatsgebiet.

Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten unter Einsatz ihres Lebens Auschwitz und den gesamten Lagerkomplex. Seit 1996 ist dieser Tag in Deutschland offizieller Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.

Museum Auschwitz Air-Quad UG, Museum Auschwitz, CC BY-SA 3.0 DE extern🡽

1947 beschloss das polnische Parlament, auf dem historischen Gelände das "Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau" zu gründen, welches später von der UNESCO mit der Hervorhebung der deutschen Verantwortung unter dem Namen "Auschwitz-Birkenau – deutsches nationalsozialistisches Konzentrations- und Vernichtungslager (1940–1945)" zum Teil des Weltkulturerbes erklärt wurde.

Ausgerechnet an meinem Geburtstag im September besuchten wir das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz im Rahmen eines mehrtägigen Aufenthalts in Krakau. Das mit dem Geburtstag war kein Zufall, sondern war genauso geplant. Ich hatte den Ausflug online gebucht und war gut vorbereitet. Ich kam nicht als Voyeur, sondern als Forschender, der sich schon Jahrzehnte durch Bücher, Fotos und Filme mit der nationalsozialistischen Geschichte und dem Holocaust auseinandergesetzt hatte. Uns erwartete eine intensive und aufwühlende Erfahrung. Eine Reise beginnt immer mit dem ersten Schritt, also ging es von Krakau früh mit dem Bus direkt nach Auschwitz, und zwar zunächst ins Stammlager, etwa 50 Kilometer entfernt.

Viele stellen sich unter Auschwitz ein einziges großes Lager vor, tatsächlich sind es aber drei. In der Praxis wurde zunächst das Stammlager (Auschwitz I) errichtet, dann das eigentliche Vernichtungslager Birkenau (Auschwitz II) und schließlich das Zwangsarbeitslager Monowitz (Auschwitz III), die jeweils einige Kilometer voneinander entfernt lagen. Von Monowitz sind nur noch rudimentäre Reste vorhanden. Da gibt es also nichts mehr zu besichtigen. Die Abkürzung in der Zeit des Nationalsozialismus für Konzentrationslager) lautete übrigens K. L. und nicht KZ. Im gesamten Lagerkomplex Auschwitz wurden mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet. Die weitaus meisten Opfer waren Juden und wurden direkt nach ihrer Ankunft in den Gaskammern umgebracht.

Auschwitz I: Wachturm Wachturm im Stammlager © 2019 KopfsplitterFoto

Wir planten also den Besuch des Stammlagers (Auschwitz I) und des Vernichtungslagers Birkenau. Der Zutritt zum Museum ist nur mit einer (kostenlosen!) Eintrittskarte möglich, die online gebucht werden muss. Eine Führung nahmen wir nicht in Anspruch, um uns möglichst ohne Zeitdruck ein eigenes Bild machen zu können. Ein Buch mit Lagerplänen musste ausreichen. Überall gibt es zwar Schautafeln, die sind allerdings "nur" in polnischer, englischer und hebräischer Sprache gehalten. Die meisten der ausgestellten Originaldokumente sind dagegen in der deutschen Amtssprache.

Nachdem wir im Stammlager eingetroffen waren, entschieden wir uns schnell für einen Ortswechsel, weil es doch ziemlich voll in Auschwitz I war. Von Vorteil ist, dass Shuttlebusse zwischen dem Stammlager und Birkenau eingesetzt werden, die regelmäßig fahren und auch noch kostenlos sind. Zur Not kann man übrigens die Strecke von 3 km auch laufen.

Auschwitz II: Das Haupttor mit der Eisenbahnrampe Auschwitz II: Das Haupttor Das Haupttor und die Eisenbahnrampe
© 2019 KopfsplitterFoto

In Birkenau kommt man mit dem Bus auf einem großen Parkplatz an und geht von dort auf das bekannte Haupttor zu. Mitten durch das Tor führen Schienen, die sich gleich danach auffächern und die berühmt-berüchtigte Rampe bilden. Diese wurde aus "praktischen" Erwägungen 1944 wegen des geplanten Massenmordes an den ungarischen Juden ("Ungarn-Aktion") von außerhalb des Tores direkt ins Lager verlegt.

Ein einzigartiges Dokument hat die Ankunft an der Rampe in Auschwitz-Birkenau, die Selektion, die Beschlagnahme des Eigentums und den Gang zu den Gaskammern im "Auschwitz-Album" festgehalten. Das Album mit fast 200 Fotos ist heute im Besitz von Yad Vashem, der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte in Israel.
Link zum Fotoalbum: Yad Vashem extern🡽

Auschwitz II_Weg durch Lager B II zu den Krematorien 4+5 Auschwitz II, Weg durch Lager B II © 2019 KopfsplitterFoto

Es fällt sofort die ungeheure Größe des Areals auf. Überall grenzen Zäune, die damals außerdem unter Strom gesetzt wurden, einzelne Bereiche voneinander ab. Noch sichtbar sind Wachtürme und sehr viele Holzbaracken. Steingebäude waren vor allem den Funktionsbauten vorbehalten. Die 4 Krematorien mit den Gaskammern sind allerdings nur noch als Ruinen vorhanden, weil die Deutschen diese kurz vor ihrer Flucht in die Luft sprengten. Auschwitz-Birkenau wurde übrigens nie gezielt bombardiert, obwohl die Alliierten durchaus von der Existenz der Lager wussten.

Auschwitz II: Baracke in Lager B II Auschwitz II: Baracke in Lager B II Baracken in Lager B II © 2019 KopfsplitterFoto

Die Holzbaracken waren zum Teil umgebaute Pferdeställe und wurden wie alle Häftlingsbauten Blöcke genannt. Für jeden Block fungierte jeweils ein von den Nazis eingesetzter Häftling als Blockältester. Das System der Funktionshäftlinge und Kapos ersparte der SS Personal und Kosten. Dazu wurden diese mit einer gewissen Macht ausgestattet, was dazu führen konnte, dass sie ebenso brutal wie die SS-Schergen gegen Mitgefangene vorgingen. Andererseits konnten sie auch für Vergünstigen sorgen. Das öffnete der Korruption Tür und Tor.

Auschwitz II_Krematorium 4 (Aufstand des Sonderkommandos) Auschwitz II: Krematorium 4 © 2019 KopfsplitterFoto

Wenige Monate, bevor die SS den Lagerkomplex von Auschwitz aufgab, kam es am 7.10.1944 zu einem Aufstand der Sonderkommandos in den Krematorien. Mit der Hilfe von weiblichen Gefangenen, die in einer Waffenfabrik arbeiteten, konnte Schießpulver eingeschmuggelt werden. Beim Aufstand gelang die teilweise Zerstörung von Krematorium IV, das danach seinen Betrieb einstellen musste. Die anschließende Massenflucht misslang letztlich, weil alle 250 Flüchtigen gefasst und getötet wurden. In der Folge wurden über 450 weitere Häftlinge ermordet, darunter auch die Helferinnen aus der Waffenfabrik.

Auschwitz II_Krematorium 4: Schautafel (Aufstand des Sonderkommandos) Auschwitz II: Krematorium 4 (Schautafel) © 2019 KopfsplitterFoto

Das Leben der Häftlinge der Sonderkommandos war besonders gefährdet, da sie als "Geheimnisträger" und unliebsame Zeugen nie sicher sein konnten, von der SS umgebracht zu werden, was tatsächlich auch hin und wieder geschah. Direkt vor der Evakuierung des Lagers im Januar 1945 gelang es einigen Häftlingen des Sonderkommandos, sich unter die übrigen Häftlinge zu mischen und auf den folgenden Todesmärschen zu fliehen. Damit entgingen sie sicherlich ihrem Tod.

Auschwitz I: Haupttor Haupttor des Stammlagers © 2019 KopfsplitterFoto

Es war schon spät am Nachmittag, als wir mit dem Bus zum Stammlager zurückkehrten und dort die Besichtigung nachholten. Inzwischen war es wesentlich ruhiger auf dem Gelände geworden, weil die meisten Besucher gegangen waren. Wir schritten durch das berühmte Tor mit dem zynischen Spruch "Arbeit macht frei". Der erste Häftlingstransport erreichte Auschwitz I am 20. Mai 1940. Es waren 30 Strafgefangene aus dem KZ Sachsenhausen, die Aufsichts- und Kontrollfunktionen übernehmen sollten.

Auschwitz I: Blöcke 22 bis 24 (rechts) Backsteinblöcke und Todeszone mit Zäunen © 2019 KopfsplitterFoto

Auschwitz I war vor dem Umbau ein ehemaliges Kasernengelände des polnischen Militärs und bestand daher vorwiegend aus Backsteinbauten, die zusätzlich um ein Stockwerk erhöht wurden. Einige Lagerblöcke sind geöffnet, um die Räumlichkeiten anschaulich zu machen. Auch werden Ausstellungsstücke der Opfer gezeigt, z. B.: Koffer und Taschen, teilweise mit Namen beschriftet, Schuhe, Brillengestelle und Prothesen. Auch geleerte Zyklon B-Dosen lassen einen erschaudern.

Auschwitz I: Exekutionswand auf dem Hof zwischen Block 10+11 Exekutionswand zwischen Block 10 und 11 © 2019 KopfsplitterFoto

Im Hof zwischen Block 10 und Block 11 werden mit einer Gedenkstätte die Opfer geehrt, die hier von der SS an einer Todeswand erschossen wurden. Im Block 11 (rechts) befanden sich ehemals die Gefängniszellen. Damit die Häftlinge nicht in den Hof mit der Hinrichtungsstätte schauen konnten, waren die Fenster dicht verschlossen. Im Herbst 1941 wurde im Keller von Block 11 die erste Massenvergasung von Gefangenen mit Zyklon B "getestet".

Lagerkommandant von Auschwitz-Birkenau: Rudolf Höß Aus Wikipedia: Rudolf Höß als Angeklagter beim Gerichtsprozess in Polen (1947)

Rudolf Höß wurde im Mai 1940 mit nicht einmal 40 Jahren zum Lagerkommandanten von Auschwitz I ernannt. Ein knappes Jahr später erhielt er von Himmler den Auftrag, ganz in der Nähe das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau aufzubauen. Nach Erledigung dieser Aufgabe betraute man Höß ab November 1943 mit Organisationsfragen in der Berliner SS-Verwaltung. Um den Massenmord an den ungarischen Juden zu organisieren, wurde Höß im Mai 1944 zum Standortältesten im Lagerkomplex von Auschwitz bestimmt. Nach dem Krieg konnte er zunächst im Flensburger Umland untertauchen, bevor die Briten ihn verhafteten. Er wurde als Kriegsverbrecher 1947 von einem polnischen Gericht zum Tode verurteilt und im Stammlager von Auschwitz gehängt.

Der Spielfilm "Aus einem deutschen Leben" von 1977 mit Götz George in der Hauptrolle gibt das Leben und die Karriere von Rudolf Höß wieder. Sein Pflichtbewusstsein und sein Organisationstalent stellte als gehorsamer Befehlsempfänger in den Dienst von Massenmördern und wurde dadurch selbst einer. Das Buch "Kommandant in Auschwitz: Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß", herausgegeben von Martin Broszat, sollte Pflichtlektüre für historisch Interessierte sein.

Offizielle Website der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau (polnisch und englisch):
www.auschwitz.org extern🡽
In einem speziellen Bereich der Website können durch virtuelle Touren und interaktive Karten die Lager erkundet und bauliche Zusammenhänge besser begriffen werden. Historische Fotos und polnische bzw. englische Texte liefern zusätzliche Informationen. Der Link dazu:
panorama.auschwitz.org extern🡽

Wir kamen spät am Abend wieder in unsere Krakauer Unterkunft zurück und waren geistig sowie körperlich total erschöpft. Das Wetter hatte sich tagsüber von einer ziemlich wechselhaften Seite gezeigt. Sonne, heftiger Regen und Kälte hatten uns zu schaffen gemacht, zumal wir mit unserer Kleidung nicht darauf eingestellt waren. Ich denke noch heute bei Wetterstress oft an diesen Tag in Auschwitz-Birkenau zurück. Dann sehe ich vor meinem geistigen Auge die Häftlinge, wie sie nicht nur hilflos mit unzureichender Kleidung Wetterunbilden ausgesetzt waren, sondern wie sie von den Bewachern geschunden wurden, bis zur Erschöpfung arbeiten mussten, ohne ausreichende Nahrung und praktisch ohne medizinische Versorgung. Jede Stunde konnte ihre letzte sein. Ein unmenschliches und gleichzeitig auch übermenschliches Dasein!

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