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Unterwegs

Krakau unter NS-Herrschaft

aktualisiert am 8.5.2022

Wir besuchten die Stadt Krakau und Auschwitz-Birkenau im September 2019.

Nach dem Überfall auf Polen durch Nazi-Deutschland am 1.9.1939 kapitulierten die letzten polnischen Militärverbände bereits am 6. Oktober. Schon eine Woche später wurde durch einen Erlass Hitlers die militärische Verwaltung durch eine zivile abgelöst. Große Teile Polens fielen an das Deutsche Reich. Ostpolen wurde von der Sowjetunion annektiert. Zentralpolen mit Warschau fungierte künftig als Generalgouvernement und konnte seine relativ unabhängige politisch-wirtschaftliche Rolle bewahren. Das Gouvernement bestand zunächst aus den vier Distrikten Radom, Warschau, Lublin und Krakau. Als Regierungssitz wählte der neu ernannte Generalgouverneur Hans Frank nicht Warschau, sondern Krakau mit dem Wawel. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion wurde das Generalgouvernement am 1. August 1941 um den ehemals sowjetisch besetzten Distrikt Galizien erweitert. Mit der Gegenoffensive der Sowjetunion kam der Krieg zurück und das Generalgouvernement hörte endgültig auf zu existieren, als Krakau im Januar 1945 von der Roten Armee erobert wurde.

Hans Frank Bundesarchiv Bild 146-1989-011-13, Hans Frank, CC BY-SA 3.0 DE extern🡽

Hans Frank (* 23. Mai 1900, † 16. Oktober 1946) nahm zusammen mit Hitler am 9. November 1923 in München am Marsch zur Feldherrnhalle (Hitlerputsch) teil, fungierte als Adolf Hitlers Rechtsanwalt, war Mitglied des Reichstags und Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Nach dem Ende des deutschen Polenfeldzuges wurde Frank von Hitler zum Generalgouverneur des nicht annektierten Restes des ehemaligen polnischen Staates, der fortan Generalgouvernement genannt wurde, ernannt. Er und seine Frau Brigitte bereicherten sich persönlich an Juden und Polen. Lastwagenweise wurde die Beute in die Heimat geschickt. Hans Frank gehörte zu den 24 Angeklagten im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, wurde schuldig gesprochen, zum Tode verurteilt und in der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober 1946 durch den Strang hingerichtet.

Hans Franks Sohn Niklas publizierte 1987 ein Buch mit dem Titel "Der Vater: Eine Abrechnung". Der Titel sagt eigentlich schon alles. Niklas Frank haut seinem Vater, dem NS-Kriegsverbrecher, die Vorwürfe erbarmungslos um die Ohren, so dass man als Leser immer wieder zusammenzuckt. Denn seine Sprache ist direkt, derb, obszön und vulgär. Harte Kost und nichts für zarte Gemüter. Später folgen zwei weitere schonungslose Abrechnungen in Buchform mit der eigenen Mutter und dem älteren Bruder Norman.

Hohe Synagoge Hohe Synagoge © 2019 KopfsplitterFoto

Der Krakauer Stadtteil Kazimierz ist heute wie ehedem ein Zentrum für jüdische Kultur - mit sieben Synagogen, einem Museum, zwei jüdischen Friedhöfen, Klezmer-Musik und mehreren koscheren Restaurants. Das eigentliche Problem ist aber: Es leben kaum noch Juden hier. Das liegt natürlich an der NS-Besetzung Polens und Krakaus von 1939 bis 1945.

Die Hohe Synagoge wurde zweigeschossig errichtet. Diese Bauweise ist in Polen einmalig. 1939 wurde die Synagoge durch die deutschen Okkupationsbehörden geschlossen.

Alte Synagoge Alte Synagoge © 2019 KopfsplitterFoto

Die Alte Synagoge ist die älteste erhaltene Synagoge nicht nur in Krakau, sondern in Polen überhaupt. Der Ursprungsbau wurde im 15. Jahrhundert im jüdischen Wohnviertel Kazimierz errichtet. Die Nazis missbrauchten das Gotteshaus als Lager. Seit der Restaurierung Ende der 50er Jahre dient das Kulturdenkmal als Museum für jüdische Geschichte und Kultur.

Friedhof der Remuh-Synagoge Friedhof der Remuh-Synagoge © 2019 KopfsplitterFoto

Die Remuh-Synagoge ist heute der religiöse Mittelpunkt der jüdischen Gemeinde in Krakau und am Samstag und an jüdischen Feiertagen werden Gottesdienste abgehalten. Durch die Synagoge gelangt man auf den angrenzenden jüdischen Friedhof. Wohl kaum sonst findet man noch so viele erhaltene Gräber, die aber erst 1956 unter einer dicken Erdschicht entdeckt wurden.

Tempel-Synagoge Tempel-Synagoge © 2019 KopfsplitterFoto

Auch die Tempel-Synagoge kann besichtigt werden und ein Besuch lohnt allemal. Der imposante Bau beeindruckt nicht nur von außen, sondern auch die innere Gestaltung dieser jüngsten aller Synagogen in Krakau ist geradezu überwältigend.

Platz der Ghettohelden Platz der Ghettohelden © 2019 KopfsplitterFoto

Nach dem Überfall auf Polen am 1.9.1939 wurde Krakau wenige Tage später von deutschen Truppen besetzt. Ab November 1939 mussten alle jüdischen Einwohner ab dem Alter von zwölf Jahren Armbinden tragen. Im März 1941 errichtete die SS eine jüdische Wohnsiedlung, ein so genanntes Ghetto, in Podgorze, einem Vorort-Viertel Krakaus auf der anderen Weichselseite. Alle jüdischen Bewohner, auch jene, die im bisherigen jüdischen Viertel Kazimierz lebten, wurden zwangsweise in das Ghetto umgesiedelt.

Reste der alten Ghettomauer Aus Wikipedia: Reste der alten Ghettomauer

In einem Stadtteil, in dem ursprünglich 3.000 Einwohner lebten, wurden letztlich 15.000 Menschen eingesperrt und die Zugänge streng überwacht. Der Wohnbezirk war vollkommen überfüllt. Da das Ghetto andere Stadtteile voneinander trennte, durfte sogar eine Straßenbahn durchfahren, deren Benutzung aber für Juden verboten war.

Platz der Ghettohelden: Apotheke unter dem Adler Apotheke unter dem Adler © 2019 KopfsplitterFoto

Die Apotheke des Polen Tadeusz Pankiewicz befand sich plötzlich innerhalb des Ghettos. Obwohl Pankiewicz kein Jude war, wollte er seine Apotheke nicht verlegen. Und so erhielt er tatsächlich zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen eine entsprechende Sondergenehmigung. Die Apotheke war rund um die Uhr geöffnet und gab neben Medikamenten auch Nachrichten und gefälschte Dokumente weiter. Für seinen Einsatz für Juden wurde Pankiewicz mit dem Ehrentitel "Gerechter unter den Völkern" ausgezeichnet. Er starb 1993 in Krakau.

KZ Plaszow: Hinweistafel KZ Plaszow: Karte auf Hinweistafel © 2019 KopfsplitterFoto

Aber auch das Ghetto war nur eine Zwischenstation für die Odyssee der jüdischen Bevölkerung. Im März 1943 wurden alle arbeitstauglich eingestuften Juden in das seit 1940 bestehende Arbeitslager Plaszow verlegt. Die anderen Bewohner des Ghettos – etwa 2300 alte und geschwächte Erwachsene und Kinder – wurden zum Teil direkt im Ghetto erschossen oder gleich ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau geschafft. Plaszow ist ein Vorort südöstlich von Krakau und verfügt über einen Bahnhof. Wer gut zu Fuß ist, kann die Strecke auch erlaufen.

KZ Plaszow: Gedenkkreuz Steinbruch von Bernard Liban_Filmset Schindlers Liste - KZ Plaszow: Gedenkkreuz
- Requisiten vom Filmset
© 2019 KopfsplitterFoto

Die Lagerbauten existieren nicht mehr – weder die Baracken noch die Wachtürme. Lediglich ein Gedenkkreuz und einige Schautafeln erinnern an das KZ.
1993 drehte Steven Spielberg das Filmdrama "Schindlers Liste" überwiegend an Originalschauplätzen in Krakau. Der Film erzählt die wahre Geschichte des deutschen Unternehmers und NSDAP-Mitglieds Oskar Schindler. Bei der Oscarverleihung 1994 erhielt der Film sieben Oscars. Noch heute finden sich Reste der Filmszenografie im Steinbruch, in dem das ehemalige KZ Plaszow nachgebaut wurde.

Oskar-Schindler-Museum Oskar Schindlers Emaillewarenfabrik (jetzt Museum) © 2019 KopfsplitterFoto

Die Außen- und Büroaufnahmen, die in Oskar Schindlers Fabrik spielen, wurden am Originalschauplatz in der Lipowa-Straße gedreht. Seit den 1940er-Jahren beschäftigte der deutsche Oskar Schindler vorzugsweise Juden in seiner Krakauer Emaillewarenfabrik, um diese vor der Deportation und der Ermordung zu retten. Von Vorteil war es, dass Schindlers Betrieb "kriegswichtig" war.

Ehemalige Villa des Kommandanten Amon Göth Ehemalige Villa von Amon Göth © 2019 KopfsplitterFoto

Der erste Kommandant des Konzentrationslagers Plaszow wurde Amon Göth. Seine Villa in der Heltmana-Str. 22 existiert noch als eines der wenigen Gebäude des ehemaligen Lagers, ist aber heute ein "normales" Wohnhaus. Vom Balkon auf der Gartenseite der Villa feuerte Göth gezielte Schüsse ins Konzentrationslager ab. Seine Geliebte Ruth Irene Kalder versuchte, letztlich mit mäßigem Erfolg, ihn von seiner Gewalttätigkeit abzuhalten.

Einem größeren Film- und Fernsehpublikum wurde Göth (gespielt von Ralph Fiennes) durch Spielbergs "Schindlers Liste" bekannt. Der KZ-Kommandant pflegte zu Oskar Schindler ein enges freundschaftliches Verhältnis. Beide profitierten voneinander. Schindler nutzte die Korrumpierbarkeit des SS-Mannes für eigene Zwecke aus, da er auf die vorwiegend aus dem KZ Plaszow stammenden Häftlinge angewiesen war. Dadurch rettete er letztlich vielen von ihnen das Leben.

Der Kommandant des Konzentrationslagers Plaszow: Amon Göth Aus Wikipedia: Amon Göth, Kommandant des Konzentrationslagers Plaszow

Amon Göth, der "Schlächter von Płaszow", wurde im Sommer 1944 wegen persönlicher Bereicherung und anderer Dienstvergehen verhaftet und vor ein SS-Ehrengericht gestellt. Das Kriegsende verhinderte jedoch eine rechtskräftige Verurteilung. Die Amerikaner konnten Göth festnehmen und überstellten ihn schließlich den polnischen Behörden, die ihm in Krakau den Prozess machten und zum Tode verurteilten. Er wurde am 13. September 1946 gehängt.

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